
Auch Ehrenamtliche entwickeln sich weiter!
Ehrenamtspreisträger Klaus Wieprecht, Aidshilfe Essen
Schon bei der Entstehung von Herzenslust, dem Markenzeichen für HIV/Aids- und STI-Prävention in der schwulen Community in NRW, spielte das Ehrenamt vor 30 Jahren eine wichtige Rolle. An den Runden Tischen, bei denen Herzenslust entwickelt wurde, saßen vor allem Ehrenamtliche. Es wurde immer überlegt, wie sie gut eingebunden und von Hauptamtlichen unterstützt werden können. Mit der Zeit hat sich das Ehrenamt gewandelt, doch nach wie vor sind Ehrenamtliche dabei, wenn Prävention in der Szene gemacht wird oder Menschen zur Testberatung in die Aidshilfe kommen. Einer von ihnen ist Klaus Wieprecht, der sich seit 2013 für die Aidshilfe Essen engagiert.
Klaus ist ein Kind des Ruhrgebiets. Seine Mutter stammt aus Duisburg, sein Vater aus Essen. Groß geworden ist er in Mülheim an der Ruhr, „quasi in der Mitte“. Nach acht Jahren Volksschule kam er mit 14 in die Lehre und wurde Schriftsetzer. Schon früh engagierte er sich in der Gewerkschaftsjugend. Als er gemustert wurde, verweigerte er den Wehrdienst, was damals nicht so unbürokratisch vonstattenging wie in späteren Jahren. Erst nach zwei Verhandlungen wurde er als Kriegsdienstverweigerer anerkannt. 27 Monate lang arbeitete er anschließend als Zivildienstleistender. Zunächst war er in der Druckerei des Landschaftsverbands Rheinland in Brauweiler tätig, die an die Landesklinik für Psychiatrie und Neurologie in Brauweiler angegliedert war. Dann bewarb er sich beim Friedensdorf Oberhausen, in dem damals viele im Vietnamkrieg verletzte Kinder lebten. Die Organisation holt bis heute kranke und verletzte Kinder aus Kriegs- und Krisengebieten zur medizinischen Versorgung nach Deutschland. Aktuell beispielsweise aus Afghanistan. Nach Abschluss der Behandlung kehren die Kinder zu ihren Familien zurück. Diese Arbeit begeisterte ihn so sehr, dass er sich später weiter ehrenamtlich engagierte. Noch heute ist er im Vorstand des Vereins tätig und übt das Amt des Schatzmeisters aus.
Nach dem Zivildienst kehrte er zunächst in seinen alten Beruf zurück, holte dann aber die Mittlere Reife nach und absolvierte eine Ausbildung zum Erzieher im Kinderheim Bottrop. Dort arbeitete er zunächst in der stationären Betreuung, bevor er in die Tagesgruppen wechselte. Nach der Ausbildung war es ihm möglich, an der Fachhochschule Kiel, heute Hochschule für Angewandte Wissenschaften, Soziale Arbeit zu studieren. Nach dem Abschluss absolvierte er sein Anerkennungsjahr im Jugendamt der Stadt Mülheim. Anschließend arbeitete er für das Diakonische Werk in Bottrop und baute in Gladbeck einen ambulanten Dienst auf. Berufsbegleitend ließ er sich zum systemischen Familientherapeuten ausbilden.
Apropos: Klaus ist ein Familienmensch. Er ist stolzer Familienvater, hat einen Sohn und drei Töchter und ist inzwischen sogar schon zweifacher Opa. Lange wohnte er mit seiner Familie in Dorsten, doch nach seinem Coming-out als schwuler Mann zog er nach Essen.
Beim CSD 2013 kam es zu einer Begegnung am Stand der Aidshilfe Essen. Seitdem ist er auch dort ehrenamtlich tätig. Nach dem obligatorischen Basistraining stieg er in die Präventionsarbeit von Herzenslust ein. Im November 2017 erhielt er sein eigenes positives HIV-Testergebnis. „Wer am Verkehr teilnimmt, muss auch mit Unfällen rechnen”, erläutert Klaus lakonisch. HIV habe im Grunde nichts geändert. Er sei ärztlich gut versorgt und es gehe ihm hervorragend. Daher liegen ihm Aufklärung und Testangebote besonders am Herzen. „Teste mich!“ ist ein Angebot der Essener Aidshilfe, bei dem man sich anonym auf HIV und andere sexuell übertragbare Infektionen testen lassen kann. Klaus, ein Kommunikationsgenie, gelingt es, mit den Wartenden ins Gespräch zu kommen, und er nimmt ihnen so oft Hemmungen und Ängste.
Nach über zehn Jahren Erfahrung in der Prävention hat Klaus festgestellt, dass junge Schwule gewöhnlich gut aufgeklärt sind. Bisexuelle und verheiratete Männer oder die „Spätzünder“, wie Klaus sie aus eigenem Erleben nennt, legten dagegen einfach los, ohne sich viele Gedanken zu machen. „Die dürfen wir nicht aus dem Auge verlieren und müssen sie sowohl über Prävention als auch über Testmöglichkeiten informieren und aufklären.“
Als Herzenslust in Essen Probleme damit hatte, neue Ehrenamtliche zu gewinnen, hielt Klaus die Stellung und schaffte es, neue Leute für die Mitarbeit zu begeistern. Dabei setzte er sich dafür ein, dass Ehrenamtliche entsprechend ihrer Möglichkeiten eingesetzt werden, sich aber auch weiterentwickeln können. Für die Aidshilfe Essen ist Klaus ein äußerst wichtiger Mitarbeiter, da er leicht Kontakt knüpft und auf die Bedürfnisse der verschiedenen Engagierten achtet.
Klaus ist stolz darauf, dass der Essener Oberbürgermeister Thomas Kufen bei ihm den „Akzeptanzführerschein“ gemacht und auch bestanden hat.