
Aidshilfe ist Menschenrechtsarbeit
Ehrenamtspreisträgerin Martina Walther, Aidshilfe Wuppertal
Seit 30 Jahren vernetzen sich in der Landesarbeitsgemeinschaft Frauen* und HIV/Aids in NRW (LAG) die Kolleginnen, die in den Mitgliedsorganisationen der Aidshilfe NRW unter der Marke XXelle die Arbeit mit und für Frauen mit HIV organisieren und umsetzen. Die meisten von ihnen sind hauptamtlich in den jeweiligen Vereinen tätig, aber auch Ehrenamtliche beteiligen sich immer wieder am Austausch und der Vernetzung in der LAG. Eine von ihnen ist Martina Walther, die sich seit zwölf Jahren in der Aidshilfe Wuppertal engagiert.
Martina Walther ist in Leipzig geboren. Noch als Kind flohen ihre Eltern mit ihr und ihrem Bruder in den Westen und kamen so nach Wülfrath. Hier, im Städtedreieck zwischen Essen, Düsseldorf und Wuppertal wuchs Martina auf und startete nach ihrer Schulzeit auch ihre berufliche Laufbahn. Bei der Stadt Wülfrath absolvierte sie eine Ausbildung zur Verwaltungsfachangestellten und arbeitete viele Jahre in der wirtschaftlichen Jugendhilfe im Jugendamt. Hier stand sie in vielfältigem Kontakt zu Mitarbeiter*innen innerhalb der Behörde wie auch zu den Trägern der freien Jugendhilfe. Durch ihre Arbeit erfuhr sie viel über die Lebenssituation von jungen Menschen mit Unterstützungsbedarf und deren Familien.
Die ungleichen Chancen von Frauen und Männern und die Ungerechtigkeiten, mit denen vor allem alleinstehende und alleinerziehende Frauen oft konfrontiert sind, haben Martina schon früh dazu bewogen, sich frauenpolitisch zu engagieren. Zunächst widmete sie sich der Gewerkschaftsarbeit und arbeitete im Bezirksfrauenausschuss von ver.di und später auch im DGB mit. Hier knüpfte sie vielfältige Kontakte zu anderen engagierten Frauen, zu solidarischen Kolleg*innen und zu Vertreter*innen der Politik.
In ihrer Behörde scharte sie Gleichgesinnte um sich, die eine Frauengruppe bildeten und sich dann gemeinsam für die Einrichtung einer Frauengleichstellungsstelle bei der Stadt Wülfrath einsetzten. Für Martina Walther bedeutete das viel Kontaktpflege zur Politik, zur lokalen Presse und natürlich innerhalb der eigenen Behörde. Unterstützung kam auch vom Kölner Frauenbüro. Ein Höhepunkt war jedes Jahr die Planung und Durchführung von Veranstaltungen zum Internationalen Frauentag am 8. März.
Später wurde Martina auch in den Personalrat der Stadt Wülfrath gewählt und sie wurde Vertrauensperson für ihre Kolleg*innen. Auch hier verstand sie sich in erster Linie als Interessenvertreterin der weiblichen Beschäftigten. In den Auseinandersetzungen mit der Stadtspitze und den Behördenleitungen sei der Ton nicht selten rau gewesen, erinnert sie sich. So kritisierten sie und ihre Kolleg*innen die Pläne der Stadt, die Frauengleichstellungsstelle mit der Gleichstellungsstelle für ausländische Mitbürger*innen zusammenzulegen. Mit diesem Schritt wurde das Engagement der Stadt für die Gleichstellung von Frauen quasi halbiert. „Ist das alles?“, lautete damals der Titel eines Flugblatts. Der Prozess, erinnert sich Martina, sei toll gewesen, auch wenn sie die Stadt am Ende nicht überzeugen konnte.
Rückblickend sieht Martina ihr damaliges Engagement als sehr aufreibend und kräftezehrend. „Als Personalratsmitglied sitzt du immer zwischen allen Stühlen. Du legst dich mit der Stadtverwaltung an und kämpfst, gleichzeitig kannst du es nicht allen Kolleg*innen recht machen.“ Als sie Ende 2012 das Angebot bekam, in Altersteilzeit zu gehen, griff sie zu und verließ nach einem langen Arbeitsleben die Stadt Wülfrath. In der Zwischenzeit war Martina „der Liebe wegen“ nach Wuppertal gezogen, wo sie sich nun nach einer ehrenamtlichen Tätigkeit umsah. „Nichtstun kam für mich überhaupt nicht in Frage.“
In der Alten Feuerwache in Wuppertal, einem Jugend- und Begegnungszentrum, in dem vor allem Kinder und Jugendliche aus sozial benachteiligten Verhältnissen gefördert werden, kochte sie zunächst für die Kinder. Später übernahm sie auch die Hausaufgabenbetreuung und las mit den Kindern. „Viele Kinder und Jugendliche aus Migrant*innenfamilien sprechen super Deutsch, aber wenn es ums Lesen und Schreiben geht, haben die meisten Probleme. Es ist eine tolle Aufgabe, mit ihnen zu üben und sie zum Erfolg zu führen“, sagt Martina. Auch heute unterstützt sie Kinder und Jugendliche auf diese Weise.
Kurz nach ihrer Berentung besuchte sie die Frauengesundheitstage in Wuppertal und kam dort an den Stand der Aidshilfe Wuppertal. „Da ich mich schon immer für Menschen eingesetzt habe, die diskriminiert werden oder nicht gleichberechtigt sind, war mein Interesse an der Aidshilfearbeit geweckt“, erinnert sie sich. Seit Februar 2013 ist sie dabei, und auch hier liegt ihr Schwerpunkt auf der Arbeit mit Frauen. Drei- bis viermal im Jahr organisiert sie mit einigen anderen den sogenannten Frauenbrunch, ein Angebot für Frauen mit HIV. Eine der Ehrenamtlichen bietet Kinderbetreuung an, so dass auch Mütter mit Kindern in ruhiger Atmosphäre mit anderen Frauen ins Gespräch kommen können.
Mehrmals organisierte Martina Veranstaltungen, bei denen mit Kelly Cavalcanti oder Alexandra Frings Frauen, die schon lange mit HIV leben, Erfahrungen und Motivation für einen selbstbewussten Umgang mit der Infektion an andere Frauen weitergaben. Eine von Martina ins Leben gerufene Frauenwandergruppe fand bisher nicht so viel Resonanz, aber der Familienausflug zum Freizeitpark Ketteler Hof, den die Wuppertaler gemeinsam mit den Aidshilfen in Dortmund, Düsseldorf und Essen unternehmen, erfreut sich großer Nachfrage.
An Ideen mangelt es Martina und ihren Mitstreiter*innen nicht. Angedacht ist eine Kochgruppe für Frauen, auch in Kooperation mit der Aidshilfe Düsseldorf. Und auch bei den Informationsveranstaltungen der Aidshilfe Wuppertal ist Martina immer gern dabei. Inspirationen und Anregungen holt sie sich, wie viele ihrer Kolleginnen, bei den Treffen der LAG. An den zweitägigen Klausurtagungen in der Akademie Wolfsburg in Mülheim nimmt sie ebenso regelmäßig teil wie an den Online-Treffen.
Gerade der Zusammenschluss von gleichgesinnten Frauen, die vielen Inputs der Kolleg*innen und der gemeinsame Austausch vor allem bei den Präsenztreffen motivieren Martina, sich auch zukünftig weiter im Rahmen von XXelle zu engagieren. „Für mich persönlich ist Aidshilfe Menschenrechtsarbeit und ein wichtiger Beitrag zur Demokratie. Gerade in Zeiten wie diesen müssen wir zusammenhalten, unsere Demokratie durch unser Handeln verteidigen und so zeigen, dass der gesunde Menschenverstand siegt“, sagt Martina.